Dafür stehen wir ein
Gesundheitsversorgung und Arbeitsbedingungen, die dies ermöglichen. Gesundheit ist keine
Ware und Patient*innen keine Produktionsfaktoren, sondern Menschen.
Als Gesundheitsfachpersonen sehen wir uns in der Pflicht uns hierfür einzustehen und fordern
deshalb:
Gesundheit ist keine Ware!
– Profit-Logik führt zu Unter-/Überversorgung und gefährdet so das Patient:innenwohl
– Abschaffung der Fallpauschalen (Swiss-DRG)
– Abschaffung weiterer finanzieller Fehlanreize (zB variable Lohnanteile, d.h. Boni)
Eine Starke Gesundheitsversorgung als Service Public!
– Keine Abschöpfung von Gewinn in private Hände, Stopp den Privatisierungen
– Keine Zweiklassenmedizin, gleiche Behandlungsqualität für alle
– Sicherstellen der Grundversorgung in allen Regionen der Schweiz
Mehr Mitspracherecht für Gesundheitspersonal und Patient*innen!
geradestehen, nicht die Ökonom*innen – Entscheidungen sollten daher vom
Gesundheitspersonal mitgetroffen werden
– Reduktion des wachsenden administrativen Überbaus (Kodierung, Marketing, Controlling,
externe Beratung) und Einsatz des Geldes, wo es gebraucht wird: Patient*innen-Betreuung,
effizientere Informatiksysteme
Bessere Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal!
welche v.a. der Gewinnmaximierung dienen
– Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, unabhängig vom Geschlecht
Eine chancengleiche Medizin, frei von Diskriminierung und Rassismus!
Rassismus und Diskriminierung
– Soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit im Zugang zur Medizin für Minderheiten
muss von Politik und Gesellschaft angegangen werden.
Stellungnahmen:
Stellungnahme zur Schliessung des Spital Münsingen und Stadtspital Tiefenau vom 27.3.2023
Es ist lächerlich, dass diese Schliessungen aus finanziellen Gründen stattfinden, währenddem die Löhne der Direktion im vergangenen Jahr gestiegen sind (u.a. der Direktionspräsident der Insel-Gruppe mit über 670’000 Fr.). Die Gesundheitsangestellten an der Front arbeiteten derweil bei gleichbleibendem Lohn und aufgrund der Personalmangels unter massivem Stress und steigenden Überstunden.
Zur gleichen Zeit wie Spitäler aufgrund ihrer finanziellen Lage geschlossen werden und das öffentliche Gesundheitswesen weiter abgebaut wird, rettet die Schweizer Regierung den Finanzplatz mit Zusicherungen über 259 Milliarden Franken. Dies ist ein Schlag ins Gesicht für alle Gesundheitsangestellten, die in den vergangenen Jahren während der Pandemie kaum staatliche Unterstützung erhielten!
Wir stellen uns gegen die zunehmende Privatisierung der Spitäler, denn unsere Gesundheitsversorgung soll öffentlich bleiben und für alle zugänglich sein.
Für Banken greift ihr in die Taschen, Spitäler fallen durch die Maschen!
Deshalb sagen wir: Gesundheit statt Profit!
Stellungnahme zur Diskussion einer Notfallpauschale vom 25.2.2023
Stellungnahme zur Diskussion einer Notfallpauschale
Kürzlich machte die Nachricht die Runde , dass die Gesundheitskommission des Nationalrats (SGK-N) die Einführung einer Notfallpauschale prüft. Damit wird beabsichtigt, dass eine pauschale Gebühr bezahlt werden muss, wenn sich jemand aufgrund eines sogenannten «Bagatellfalls» auf einer Notfallstation vorstellt.
Mit Verlaub, der Vorschlag ist so dreist und realitätsfern, dass er nur von Menschen kommen kann, die keine Ahnung vom Thema haben. Somit ist es auch nicht erstaunlich, dass sich SVP-Nationalrat und Komissionsmitglied Thomas Aeschi dazu äussert, seines Zeichens Ökonome und Unternehmensberater, aber nicht im Gesundheitswesen tätig. Doch wir werden uns bemühen, sachlich zu bleiben. In diesem Sinne möchten wir als Gesundheitspersonal verschiedener Berufsgruppen (wie z.B. Pflegende, Ergo-/Physiotherapeut:innen, Ärzt:innen, etc.) folgend mehrere relevante Aspekte in dieser Forderung aufführen:
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Eine Pauschalgebühr tut Personen mit hohem Einkommen nicht «weh». Menschen mit hohem sozioökonomischem Status sind aber gerade diejenigen Personen, welche mit höherer Wahrscheinlichkeit gesünder sind und an weniger chronischen Krankheiten leiden. Für Menschen wiederum mit einem tiefen Einkommen fällt ein Pauschalbetrag relativ gesehen schwerer ins Gewicht. Während also jemand mit einem höheren Einkommen sich trotz Pauschale weiterhin auf dem Notfall vorstellen kann, wird jemand mit einem niedrigeren Einkommen dies zu vermeiden versuchen. Damit sind keine gleichen Rechte und Rahmenbedingungen in Bezug auf die eigene Gesundheit gegeben und wir kommen zum nächsten Punkt:
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Für eine Person ohne medizinische Vorbildung ist es häufig sehr schwierig einzuschätzen, wann Beschwerden eine «Bagatelle» darstellen und wann einen «Notfall». Dies zu verlangen, wäre fern jeglicher Realität. Wäre die Sachlage so einfach, bräuchte es kein Gesundheitspersonal. Auch wir als Gesundheitspersonal können dies häufig nicht auf Anhieb differenzieren. Ob beispielsweise Brustschmerzen von einem Herzinfarkt oder «nur» von der Muskulatur kommen, können wir erst nach mehreren Stunden mit körperlicher Untersuchung, EKG, Blutuntersuchungen und manchmal sogar weiteren Untersuchungen feststellen. Und auch psychosomatische Beschwerden, wie z.B. eine Panikattacke, können (nachvollziehbarerweise) für die betroffene Person lebensbedrohlich erscheinen und sogar mit Todesängsten verbunden sein. Was ein «tatsächlicher» Notfall ist, ist somit kaum zu definieren und die Grenzen sind vielmehr fliessend.
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Die Forderung nach einer Notfallpauschale ist sinnbildlich für einen immensen Missstand im aktuellen Gesundheitswesen: Personen, die selber nicht im Gesundheitswesen tätig sind (wie Ökonom:innen) treffen Vorschläge und Entscheidungen über Themen, über deren Ursachen sie selber nicht sachkundig sind, die sie höchstens einseitig ausarbeiten können und deren Konsequenzen sie selber nicht tragen. Diejenigen, welche die Konsequenzen zu tragen haben (Gesundheitspersonal, aber auch Patient:innen, sprich potentiell die gesamte Gesellschaft!) sind wiederum nicht entscheidungsbemächtigt.
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Sowohl in der Analyse, als auch in den Lösungsansätzen eines vermeintlichen Problems wird eine sehr einseitige Perspektive bedient. Es wird versucht, ein gesellschaftliches Phänomen mit komplexen Einflussfaktoren rein monetär zu erklären und zu lösen. Dazu kommt, dass diese einseitige Perspektive ökonomischer Natur ist, was sinnbildlich für das zunehmend ökonomisierte Narrativ im Gesundheitswesen ist. Demgegenüber können eine Vielzahl von Ursachen eine Rolle darin spielen, weshalb Menschen sich auf Notfallstationen vorstellen. Einige Beispiele:
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Strukturelle: Mangel an Hausärzt:innen, bei denen man anstelle einer Notfallstation vorstellig sein könnte
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Arbeitsplatzbezogene: Wunsch von Arbeitgeber:innen nach einem ärztlichen Zeugnis.
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Arbeitspolitische: Ärztliche Vorstellung während Arbeitszeit nicht möglich wegen Gefahr, die Anstellung zu verlieren, daher Vorstellung am Feierabend oder Wochenende
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Kulturelle: Zunehmend Verunsicherung und Ängste über die eigene Gesundheit, z.B. als Folge einer zunehmenden Digitalisierung.
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Reproduktion der zunehmenden Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und des konsumorientierten Verständnis von Gesundheit: der Ärger über die steigenden Krankheitsprämien kann dazu führen, dass Menschen umgekehrt auch eine vermehrte Dienstleistung dafür erhalten möchten. Auch die Existenz einer Franchise kann fördern, dass sich ärztliche Vorstellungen zu einer bestimmten Jahreszeit (z.B. gegen Ende des Jahres) häufen.
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Gerade obige Aspekte fussen auf politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Entscheidungen. Die hiermit assoziierten Phänomene werden nun nicht innerhalb systemischer Misstände gesucht, sondern aufs Individuum übertragen. Handelt das Individuum nicht im Sinne einer ökonomisierten Gesellschaftsperspektive, so ist nicht das System, sondern das Individuum schuld und wird bestraft. Hiermit wird auch die Illusion bedient, das Individuum habe selber die alleinige Entscheidungs- und Handlungsfreiheit, unabhängig von politischen oder wirtschaftlichen Faktoren. Dazu passen ist der öffentliche Diskurs über das Thema geprägt von gegenseitigen Schuldzuweisungen, die allen voran auch noch rassistische Stereotype bedienen.
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Im Falle einer Notfallpauschale fällt ein erhöhter administrativer Aufwand an. So muss mindestens 1. dokumentiert werden, ob es sich bei der notfallmässigen Vorstellung um eine vermeintliche «Bagatelle» handelt oder nicht, 2. müsste die Notfallpauschale abgerechnet werden. Nur schon in Bezug auf diese beiden Aspekte ist ein erhöhter administrativer Aufwand zu erwarten. Damit führen Entscheide, die von Ökonom:innen und Politiker:innen betreffend des Gesundheitswesens getroffen werden, einmal mehr zu vermehrter administrativer Arbeit für uns als Gesundheitspersonal und nehmen uns dort Zeit und Ressourcen, wo sie in erster Linie wichtig sind: nämlich für unsere Patient:innen.
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Es bleibt offen, wem die mit der Notfallpauschale eingenommenen Gebühren zugute kommen. Handelt es sich hier vielmehr um einen versteckten Ansatz, mehr Gewinne zu generieren?
In diesem Sinne lehnt das Netzwerk «Gesundheit vor Profit» die Einführung einer Notfallpauschale entschieden ab. Die Diskussion um eine Notfallpauschale ist sinnbildlich dafür, mit welch einseitig ökonomischer Perspektive Diskussionen im Gesundheitswesen geführt und Entscheidungen getroffen werden. Sie ist ausserdem beispielhaft dafür, welcher Stellenwert dem Gesundheitspersonal selber zugute kommt: nämlich keiner. Ginge es tatsächlich um eine Entlastung des Gesundheitspersonal wäre es vielmehr ein Ansatz, das Personal auszubauen, zu verhindern, dass Pflegende und Ärzt:innen den Beruf verlassen und dass dem Mangel an Hausärzt:innen entgegengewirkt wird. Auch die Bedürfnisse von Patient:innen (also potentiell jeder Person in der Gesellschaft!) wird keinerlei Beachtung geschenkt, obwohl sie der alleinige Grund für die Notwendigkeit eines Gesundheitswesens sind.
Wir rufen Arbeitnehmende im Gesundheitswesen, Verbände und Gewerkschaften, Patient*innen und Organisationen dazu auf, ebenfalls zu den Notfallpauschalen Stellung zu nehmen und sich zu wehren! Vernetzen und organisieren wir uns, nur gemeinsam können wir Veränderungen bewirken!
Netzwerk “Gesundheit vor Profit”, 25.02.2023
Stellungsnahme zum Prämienanstieg vom 29.9.2022
Aufgrund des Prämienschocks wird wieder viel über das Gesundheitswesen diskutiert: über Kostenbremsen, Effizienzsteigerungen, Digitalisierungsprojekte und weitere Randprobleme, welche garantiert nicht die grundlegenden Probleme des Schweizer Gesundheitswesen lösen. Denn was dringend diskutiert werden muss, ist, was eigentlich mit dem Geld aus unseren Krankenkassenprämien geschieht: Das Geld fliesst nämlich zunehmend zum bürokratischen Überbau der Spitäler, der für die marktwirtschaftlich organisierten Spitäler notwendig ist (Controlling, Management, Werbung, Wettbewerb), zu immer mehr Privatspitälern und deren Shareholder*innen sowie in die Verwaltung und Gewinne von den über 50 (!) privaten Krankenversicherungen in der Schweiz.
Ein Blick ins Ausland würde sich dabei lohnen: Während wir in der Schweiz inzwischen den Grossteil unserer Gesundheitsversorgung selbst bezahlen müssen, schaffen es Länder wie Schweden, Norwegen, England oder Dänemark mit einem staatlich organisierten, hochqualitativen Gesundheitswesen die Kosten niedrig zu halten.
Wir fordern deshalb jetzt: Echte Gesundheitsreformen für eine Gesundheitsversorgung jenseits von Profitgier anstatt neoliberale Pflästerlipolitik.
Netzwerk «Gesundheit vor Profit», 29.9.2022